Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Heizöl als Preisfalle für 12 Millionen deutsche Haushalte
Die Energiewende in Deutschland findet in drei Sektoren statt: Strom, Wärme und Kraftstoffe. Die politische Diskussion konzentriert sich zur Zeit auf die Strompreisdebatte und übersieht dabei die weitaus höheren Preisrisiken fossiler Energieträger für Heizungen und Kraftstoffe.
Das gilt in besonderem Maße für Erdöl, denn die Rohölpreise haben sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht und befinden sich auch weiterhin in einem steilen Aufwärtstrend. Dadurch ist Heizöl zur Preisfalle für 12 Millionen deutsche Haushalte geworden: Die Heizölpreise stiegen in den letzten 10 Jahren um 153%. 2012 war das teuerste Heizöljahr der Geschichte.
Heizöl kommt inbesondere in schlecht gedämmten Wohnungen und älteren Einfamilienhäusern zum Einsatz. Die Brenner sind oftmals veraltet und wenig effizient.
Dadurch wird Heizöl nicht nur zu einer klimapolitischen Herausforderung, sondern auch zu einem drängenden sozialpolitischen Problem, denn einkommensschächere Familien und ältere Menschen sind besonders häufig betroffen. Als Mieter haben sie kaum Einfluss auf eine Jahr für Jahr steigende Heizölrechnung.
Die Risiken und Belastungen verschärfen sich weiter
Politik und Wirtschaftsforschung haben den Anstieg der Ölpreise bislang häufig unterschätzt oder sogar ignoriert. Dabei ist es aus vielen Gründen weitaus plausibler, mit einem weiteren Anstieg der Ölpreise zu rechnen als mit einer Seitwärtsbewegung oder gar einem dauerhaften Preisrückgang (vgl. Kap. 3.4). Erschwerend kommt hinzu, dass die Einflussmöglichkeiten der nationalen Politik in den letzten Jahrzehnten geschrumpft sind, da der Energiemix einseitig auf zunächst preiswerte und leicht verfügbare, zunehmend aber knappe und teure Energieimporte ausgerichtet wurde.
Die staatliche Energie-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik agiert zur Zeit ohne ein belastbares Szenario zur langfristigen Ölpreisentwicklung. Diese Haltung ist schwer nachvollziehbar, wenn gleichzeitig mit Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot die Weichen gegen eine raschere Gebäudesanierungspolitik und gegen den zügigeren Ausbau erneuerbarer Energien gestellt werden. Ohne (zumindest implizite) Annahmen zur längerfristigen Entwicklung der Brennstoffpreise lässt sich diese Wirtschaftlichkeit nicht beurteilen.
Unsere Preisprognose erwartet, dass die Heizölpreise von 35 Cent/Liter (2002) über 90 Cent/Liter (2012) weiter auf 131 Cent/Liter im Jahr 2020 und 184 Cent/Liter im Jahr 2030 klettern werden.
Die Kosten für die Füllung eines handelsüblichen 3000-Liter-Tanks werden sich dadurch von 2700 Euro im Jahr 2012 auf 5520 Euro im Jahr 2030 verdoppeln.
Im Vergleich zum Jahr 2002 haben sich die Kosten dann sogar verfünffacht und gegenüber 1998, einem Jahr mit niedrigen Rohölpreisen, sogar verachtfacht.
Die Heizölrechnung für eine durschschnittlich gedämmte 70qm-Wohnung steigt dadurch von 945 Euro im Jahr 2012 auf 1932 Euro am Ende des kommenden Jahrzehnts. Der monatliche Heizkostenabschlag steigt von 79 auf 161 Euro.
Alternativen für Verbraucher und Klimaschutz
Heizöl steht auch den klimapolitischen Zielen im Weg. Es weist im Vergleich zu anderen Heizarten sehr hohe CO2-Emissionen auf. Ölbrenner sind zudem am Ende ihrer technischen Entwicklung angelangt, was keine weiteren Verbesserungen erwarten lässt.
Diesem fossilen Brennstoffkonzept steht heute eine ganze Palette neuer Technologien und Sanierungskonzepte gegenüber, die ein erhebliches Entwicklungspotenzial haben, klimapolitisch akzeptabel sind und deren Kosten eher sinken als steigen werden.
In einer Bewertungsmatrix (Kap.4) zeigt sich, dass fast alle Alternativen gegenüber Heizöl ein besseres Profil aufweisen. Ein zentrales Ziel der Wärmepolitik muss daher sein, den Verbrauch von Heizöl rasch und umfassend mit folgenden Maßnahmen zu reduzieren:
1. Die Reduzierung des Heizbedarfs ist der Königsweg der Wärmepolitik. Die Preisrisiken fossiler Brennstoffe werden dadurch drastisch reduziert, die CO2-Bilanz deutlich verbessert und der Einstieg in innovative Konzepte der Wärmeversorgung erleichtert.
Dazu gehört in erster Linie eine stark beschleunigte Sanierung des Gebäudebestands. Nur so besteht eine Chance, die wärmepolitischen Ziele bis 2050, also einen weitgehend klimaneutralen Gebäudebestand, zu erreichen und die Preisrisiken bei Öl und Gas zu entschärfen. Eine isolierte Effizienzsteigerung der Heizanlagen vertagt die Preis- und Klimarisiken nur, beseitigt sie jedoch nicht.
Ergänzend sind Anforderungen an Neubauten nötig, die nicht nur den technischen Stand des letzten Jahrzehnts fordern, wie es zur Zeit der Fall ist, sondern energetisch und konzeptionell wegweisend sind.
2. Auf der Angebotsseite sollten Anreize und Vorschriften dafür sorgen, dass Ölheizungen gestaffelt durch nachhaltigere Lösungen ersetzt werden. Auch hier ist der Bestand entscheidend, denn nur noch ein Prozent der Neubauten nutzt Heizöl als Wärmequelle.
Die Staffelung der Anreize sollte sich zunächst auf ältere Brenner konzentrieren. Etwa 25% der Ölheizungen sind älter als 20 Jahre, 5% sogar älter als 32 Jahre. Die anderen Dimensionen der Anreizstaffelung sollten nach Ein-/Zweifamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern sowie nach Mietern bzw. Selbstnutzern von Wohneigentum differenzieren.
Aber auch bei der Angebotssteuerung gilt das Primat der Nachfragepolitik. Entscheidend ist nicht der Brennstoffwechsel, sondern die deutliche Reduzierung der Nachfrage und die intelligente Lösung für den Restwärmebedarf auf der Basis regenerativer Energien.
Nur so besteht die Chance, die klimapolitischen Ziele im Wärmesektor zu erreichen und die wachsenden sozialen Probleme fossiler Energiepolitik zu bewältigen.