Reeder und NGOs warnen IMO vor Biokraftstoffen im Seeverkehr

1. Hintergrund

Beim Thema Dekarbonisierung ist der Seeverkehr, ähnlich wie der Flugverkehr, Vorreiter und Nachzügler zugleich: 

a) Da es einflussreiche UN-Dachorganisationen gibt (IMO bzw. ICAO), können neue Regeln auf einen Schlag die gesamte Branche verändern. In beiden Sektoren gilt Net Zero bis 2050 bereits als Zielwert.

b) In der Praxis wurde aber noch nicht viel erreicht. E-Fuels oder Advanced Biofuels bleiben die Ausnahme. Die stärksten Impulse für Veränderungen gingen stattdessen von der EU aus. Die Verordnung FuelEU Maritime (🔗) trat im Januar in Kraft. Sie schreibt die schrittweise Dekarbonisierung für Schiffe vor, die Häfen in der EU anlaufen.

Weltweit bewegt sich die Branche jedoch noch immer in die falsche Richtung. Derzeit gewinnt LNG als Treibstoff Marktanteile, da es gegenüber fossilen Ölprodukten als weniger klimaschädlich gilt und zeitweise billiger als fossiles Öl ist. Im Rest der Branche dominieren nach wie vor die üblichen Dieselkraftstoffe als Bunker Fuels, mit weniger oder weniger hohen Schwefelanteilen (LSFO, HSFO). Kleinere Beimischungen von Biokraftstoffen reichen aus, um noch bis weit in die 2030er-Jahre hinein die klimapolitischen Vorgaben zu erfüllen.

2. Aktuell

In dieser Woche treffen sich nun die Mitgliedstaaten der IMO 🔗 (International Maritime Organisation) in London, um sich in einer Arbeitsgruppe auf den weiteren Weg für eine Dekarbonisierung der Schiffskraftstoffe zu einigen.

Das in der Branche mit Spannung erwartete Meeting ist Anlass für die heutige Stellungnahme von Reedereien wie Hapag-Lloyd 🔗 und NGOs wie der Brüsseler Transport & Environment 🔗 (T&E).

3. Kritik an Biokraftstoffen (Crop-Based)

Teile der Branche und eine Reihe von Mitgliedstaaten in der IMO wollen den Seeverkehr vor allem durch Biokraftstoffe (Biofuels) dekarbonisieren. Doch das wird von Kritikern als Sackgasse angesehen.

Der Mengenbedarf auf diesem Pfad wäre so hoch und würde so schnell steigen, dass zwangsläufig Biofuels der 1. Generation wie Sojaöl, Palmöl oder Rapsöl dominieren müssten. Diese sog. Crop-based Biofuels verwenden nur die Pflanzenfrucht zur Herstellung von Biodiesel oder hydrierten Pflanzenölen (HVO). 

Sie stehen in direkter Konkurrenz zu einer Verwendung als Nahrungs- oder Futtermittel. Zudem ist ihr Anbau in vielen Fällen direkt oder indirekt (ILUC) mit der Rodung von Wäldern, der Schädigung der Biodiversität und steigenden Nahrungsmittelpreisen verbunden. Die EU schließt die Anrechnung dieser Biofuels im Rahmen der FuelEU Maritime aus diesem Grund aus.

Die Shipping Lines setzen daher bevorzugt UCO (Used Cooking Oil) oder Animal Fats (Schlachtabfälle) als Beimischung zum fossilen Kraftstoff ein, da sie als wiederverwendete Pflanzenöle oder Reststoffe regulativ bevorzugt werden. Ihr Marktwert ist deshalb hoch und liegt zumeist über den Preisen für die ursprünglichen Pflanzenöle (Virgin Oils). Die Zertifizierung ist allerdings anfällig für Betrug, der offensichtlich im großen Stil stattfindet und nur mühsam mittlerweile auf beiden Seiten des Atlantiks bekämpft wird.

Und noch wichtiger: Das Mengenangebot für UCO und Animal Fats ist begrenzt. Auch die Fluglinien (mit HEFA) und der Straßenverkehr (mit HVO) wollen diese Stoffe im großen Stil einsetzen.

Wenn der Seeverkehr auf traditionelle Pflanzenöle (Virgin Oils) zurückgreifen muss, ist für das Klima jedoch nichts gewonnen, so Analysen von T&E und Cerulogy. Berücksichtigt man nämlich die Klimaschäden, die durch den zusätzlichen Flächenbedarf beim Anbau entstehen, werden Palmöl oder Sojaöl das Klima letztlich doppelt oder sogar drei Mal stärker schädigen als die üblichen fossilen Ölprodukte.

Auch wäre der Flächenbedarf gigantisch: Etwa 35 Mio. Hektar (in etwa die Gesamtfläche Deutschlands) wären laut T&E notwendig, um bis 2030 ein Drittel der Shipping Fuels von fossilem Diesel auf Biokraftstoffe umzustellen. Sojaöl, Palmöl und Rapsöl wären dabei die wichtigsten Rohstoffe.

Quelle: T&E

Das folgende Schaubild zeigt die Klimaschäden unterschiedlicher Rohstoffe (Carbon Intensity).

Biodiesel aus Palmöl und Sojaöl schneidet am schlechtesten ab, wobei der größte Teil der Emissionen auf die indirekten Veränderungen bei der Flächennutzung (ILUC) entstehen (rote Säulensegmente). Die gestrichelte, waagrechte Linie zeigt die Emissionen der heute üblichen Kraftstoffe aus fossilem Öl.

Quelle: T&E

Das Schaubild oben zeigt vergleichsweise gute Emissionswerte für UCO, Animal Fat sowie für Advanced Biofuels, die vor allem auf die Verarbeitung von Zellulose setzen (Pflanzenreststoffe/Energiepflanzen).

Doch hier sind die Potenziale begrenzt. In allen untersuchten Szenarien kann die Nachfrage schon 2035 nicht mehr gedeckt werden, selbst wenn der Seeverkehr einen gegenüber der Luftfahrt und dem Straßenverkehr privilegierten Zugang zu diesen Stoffgruppen erhalten sollte – was sehr unwahrscheinlich ist. 

Das T&E-Briefing veranschaulicht den enormen Rohstoffbedarf an einem Beispiel: Ein großes Containerschiff benötigt auf einer einzigen Fahrt von Shanghai nach Brasilien 7.600 Tonnen UCO als Kraftstoff. Diese Menge an Used Cooking Oil entspricht dem pflanzlichen Ölverbrauch von 20.000 McDonalds Filialen in einem ganzen Jahr. Oder ersatzweise dem Animal Fat (Tallow, Fett aus Schlachtabfällen) von 1 Million Schweinen.

3. Empfehlungen

T&E und die Unterzeichner der Stellungnahme empfehlen daher der IMO, alle Biokraftstoffe aus der Liste der zukünftig förderwürdigen und anrechenbaren Fuels zu streichen, deren Anbau mit einer hohen Landnutzungsänderung (ILUC) einhergeht oder die als Nahrungs- und Futtermittel verwendet werden (Crop-based Biofuels).

E-Fuels aus Grünem Wasserstoff sollten den Vorrang erhalten, auch gegenüber UCO oder Animal Fats.

4. Weitere Links

Die im Text erwähnte Hintergrundstudie von Cerulogy: DOWNLOAD

P.S. In einem späteren Post werden wir die Ergebnisse dieser Studie von Cerulogy näher vorstellen.

Comments

Eine Antwort zu „Reeder und NGOs warnen IMO vor Biokraftstoffen im Seeverkehr“

  1. […] die einzige Option. Die Anteile sind jedoch nicht skalierbar, da auch der Straßenverkehr und der Schiffsverkehr 🔗 die knappen Rohstoffe […]

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