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Et tu: Hanebüchene Fehlinformationen zum Thema Gas in DIE ZEIT – ein Kommentar

Der mediale Schlagabtausch Pro/Kontra-Fracking tobt weiter. Hochglanzbroschüren und apokalyptische Visionen auf beiden Seiten. Wie gut, dass man sich wenigstens auf den deutschen Qualitätsjournalismus verlassen kann. Da hat man noch Zeit und Lust zur Recherche. Oder doch nicht? Nehmen wir ZEIT ONLINE vom heutigen Tag: Frank Drieschner über die „Neue deutsche Angst“ vor Schiefergas & Co (abgerufen am 20.6. 12 Uhr).

Das Vorbild ist die USA: Sie sind dank Fracking „zum größten Gasexporteur aufgestiegen und werden bald auch der größte Ölexporteur sein.“ Wow! Das war mir entgangen. Und der amerikanischen Energiebehörde EIA und der Internationalen Energieagentur (IEA) ebenso.

Beide melden, dass die USA nach wie vor Nettogasimporteur sind, aber immerhin die Chance haben, in ein paar Jahre zu einem wichtigen Gasexporteur zu werden, allerdings weit hinter Russland und wohl auch hinter Norwegen und Qatar.

Beide Institute melden zudem, dass die USA auch langfristig Ölimporteur bleiben werden. Von (Netto-)Exporteur keine Spur und „größter Ölexporteur“ schon gar nicht. Das ist eine völlig absurde Behauptung, über die man in Riad herzlich lachen wird. Derzeit müssen die USA noch immer ein Drittel ihres Ölbedarfs importieren.

Aber warum verzichtet Deutschland, so der ZEIT-Artikel weiter, auf  die heimischen „gut erschließbaren“ Schiefergasmengen „zwischen 6,7 und 22,7 Billionen Kubikmeter…Das würde, gemessen am gegenwärtigen Verbrauch, für mindestens 80 Jahre und womöglich sogar für mehrere Jahrhunderte reichen.“ Den als Kronzeugen bemühten Autoren der geologischen Bundesbehörde BGR werden jetzt wohl die Haare zu Berge stehen. Die BGR selbst (und nicht nur der SRU) spricht lediglich von 1,3 Billionen Kubikmeter Schiefergasressourcen, die technisch förderbar wären. Die Betonung liegt auf „wären“, denn nur ein kleiner Teil davon wird auch ökonomisch förderwürdig sein, da die Kosten in Deutschland etwa 2-3mal so hoch wie jenseits des Atlantiks sind. Nimmt man die USA als Vorbild, bleibt etwa ein Fünftel der Ressourcen, das den Titel „ökonomisch förderwürdig“ verdient. Davon muss man die Mengen abziehen, die sich innerhalb von Wasserschutzzonen befinden. Was bleibt, ist eine Schiefergasmenge von etwa 0,2 Billionen bzw. 200 Mrd. Kubikmeter. Das könnte den Verbrauch Deutschlands für 2-3 Jahre decken, aber da die Vorkommen nur Schritt für Schritt erschlossen werden können und über Jahrzehnte ausgebeutet werden, kann pro Jahr nur ein kleiner Prozentsatz der Gasimporte durch deutsches Schiefergas ersetzt werden.

Auch die Vermutung des Autors, dass die Kosten der Schiefergasförderung in Zukunft immer weiter fallen werden, ist gewagt. Zwar gibt es laufend technische und organisatorische Fortschritte, aber gleichzeitig sinkt in immer mehr Schiefergasregionen der USA die Qualität der Vorkommen, da die „Sweet Spots“ der Shale Plays bereits ausgebeutet sind. Nicht umsonst schreiben 95% aller mittelständischen Schiefergasunternehmen in den USA tiefrote Zahlen und wären angesichts ihrer hohen Verschuldung bei steigenden Zinssätzen kaum noch überlebensfähig.

Sicherlich sollte man einen Artikel nicht überfrachten, aber dennoch hätten andere, weitaus interessantere energiepolitische Optionen (höhere Energieeffizienz, LNG etc.) wenigstens eine Erwähnung verdient.

Wie sind solche Artikel möglich? Generell herrschen bei der ZEIT oder auch im SPIEGEL Qualitätsstandards, die den Leser tatsächlich informieren und nicht – noch dazu stark ideologisch aufgeladen –  in die Irre führen. Meinungsjournalismus und zugespitzte Kolumnen können erfrischend sein, aber bitte unterfüttert mit Fakten und nicht mit wilden Behauptungen.

 

 


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